Vom Wert des Sports

Regelmäßig, fast schon wellenartig, ist es so weit. Die positiven Effekte von Sport und Bewegung werden thematisiert und betont. Bewegung fördert die Gesundheit. Bewegung ist grundlegende Basis für Lernvorgänge. Bewegung im Team fördert das Erlernen und Umsetzen gesellschaftlicher Werte und Normen. Von der Begrüßung bis zur Entschuldigung. Sport fördert das Erleben von Verantwortung und bedingt die Fähigkeit Entscheidungen zu treffen. Organisierter Sport erfordert die Eingliederung in ein Sozialsystem (Integration) und gibt in einer sich immer schneller wandelnden Gesellschaft Orientierung und Halt. In der Summe der Eigenschaften ist Sport vor allem für Kinder die Basis für eine körperlich und geistig gesunde Entwicklung. Das ist mittlerweile auch politischer und gesellschaftlicher Konsens. Und leider auch all zu oft eher Theorie als gelebte politische Praxis.

Dazu ein Beispiel, das meinen Verein aktuell sehr beschäftigt. Unser Vereinsgelände liegt an einer der verkehrsreichsten Straßen der Republik und dennoch sehr zentral inmitten eines Wohngebiets, lediglich 5 km entfernt vom Stadtzentrum. Über die Jahre rückte die Wohnbebauung immer näher, so dass teilweise nur mehr etwa 20 Meter zwischen der Auslinie und dem nächsten Gebäude liegen. Nun haben wir einen Rasen- und einen Kunstrasenplatz. Hört sich gut an, aber bei 26 Teams im Verein relativiert sich das dann doch. Sportplätze sind in den zentralen Lagen der Großstadt absolute Mangelware. Die einzige Möglichkeit, unsere Kapazität zu erweitern, wäre die Umwandlung des Rasens in einen Kunstrasenplatz. Einem Rasenplatz spricht man jährlich etwa 800 Nutzungsstunden zu, während Kunstrasenplätze deutlich mehr als 2.000 Nutzungsstunden jährlich erlauben. Eigentlich kein Problem. Sollte man meinen. Der Teufel steckt nun im Detail. Der Umbau eines Rasensportplatzes in eine Kunstrasenfläche wird in München als Neubau bewertet. Damit ist eine Baugenehmigung erforderlich. Und damit geht der Bestandsschutz für die gesamte Sportanlage verloren. Dies kann in der Konsequenz zu massiven Nutzungsbegrenzungen für die komplette Sportanlage nach einer entsprechenden Neubewertung von Licht- und Lärmemissionen führen. Ein Risiko, welches der Verein nicht eingehen kann.

Die einfache Lösung wäre, den Umbau der Rasenfläche in eine Kunstrasenfläche als Sanierung der Sportplatzes einzuordnen. Dann wäre keine Baugenehmigung notwendig. Der Bestandsschutz für die Anlage bliebe erhalten.
Dies wird aber aus verschiedenen Gründen abgelehnt. Denn es wird u.a. eine intensivere Nutzung der Fläche befürchtet, der Bau des Kunstrasens gilt als Bodenversiegelung und zudem haben Kunstrasenflächen mikroklimatischen Einfluss. Alles sicher wichtige Themen. Aber: Wir sprechen von einer Sportfläche, die genau diesem Zweck gewidmet ist. Und die am Ende völlig ineffizient genutzt wird, weil der Rasen permanent überbeansprucht und in einem schlechten nur schwer nutzbaren Zustand ist. Ist es richtig, dass die gesellschaftlich so wichtige bestmögliche Nutzung der Sportfläche unterbleibt, weil es versäumt wurde ökologisch sinnvolle Freiflächen zu lassen? Wäre es nicht wesentlich sinnvoller, innerstädtische Flächen zu entsiegeln, Dächer und Fassaden zu begrünen, anstatt in diesem Fall wieder einmal den Sport die Rechnung bezahlen zu lassen?

Interne Berechnung zeigen, dass der Umbau eine Erweiterung der Kapazitäten um rund 100 Kinder ermöglichen würde. Und wir könnten endlich auch Fußball für Mädchen anbieten, was uns bisher aus Kapazitäts- und Infrastrukturgründen nicht möglich war.

Am Ende zeigt die Situation eines. Sport und Bewegung haben noch lange nicht das Gewicht, das sie aufgrund der gesellschaftlichen Wertigkeit haben müssen. Und: Eine Änderung ist nicht in Sicht!

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