Verheizt für den Profitraum?
Kleinfeldteams in Großvereinen – macht das Sinn?
Verheizt für den Profitraum?
Im Rahmen seiner Juniorenoffensive gibt es beim FC Bayern in der kommenden Saison wieder eine U9 Mannschaft. Seit längerem hatten sich die „großen“ Vereine zumindest auf Spieler ab der U10 beschränkt. Diese Schranke fiel nun der Jagd nach dem größten einheimischen Juwel zum Opfer.
Nun stellt sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit dieser Vorgehensweise. Denn eine U9 Mannschaft bedingt die Sichtung und Loslösung der kleinen Talente spätestens im Verlauf der U8 Saison.
Natürlich schmeichelt es den Spielern und vor allem den Eltern, wenn einer der großen Vereine Interesse zeigt. Welcher Spieler träumt nicht davon, einmal mit dem Trikot der Bayern oder der Löwen in der Bundesliga vor vielen Tausend Menschen zu spielen und Fußball zum Beruf zu machen. Also ist es für die Scouts der Profivereine zumeist kein großes Problem, Kinder und Eltern vom Vereinswechsel zu überzeugen.
Es warten immerhin qualifizierte Trainer, starke Mitspieler, kleine Kader und ein renommiertes Trikot auf den kleinen Star. Und natürlich auch die Bewunderung durch die alten Mitspieler und deren Eltern. Alles bestens also. Zumindest auf den ersten Blick.
Andere Realität
Denn die Realität zeigt sich oftmals anders.
Der Verlust des gewohnten sportlichen Umfelds, hoher Selektionsdruck, deutlich größerer Zeitaufwand in einer Phase, in der schulische Weichen gestellt werden (Training, Spiele & Turniere) und die Abkopplung von Freunden bergen enorme Risiken für die Kinder.
Die durchschnittliche Verweildauer in den Jugendabteilungen der Großvereine liegt weiterhin deutlich unter zwei Jahren. Bereits die Wahrscheinlichkeit, dass ein U9-Spieler des FC Bayern den U12-Bereich erreicht, ist also denkbar gering, zumal es kaum möglich ist die körperliche und geistige Entwicklung eines U8 Spielers zu prognostizieren. Am Ende wird es also, mit Ausnahme des immer wieder herausgehobenen Einzelfalls, zur Selektion, also zur Trennung vom Großverein kommen. Ersetzt durch Spieler, die sich in den Stammvereinen entsprechend positiv entwickelt haben und wiederum gescoutet wurden. Demotivation und Frustration des aussortierten Spielers sind die logische Konsequenz. Diese Spieler gehen dem Fußball unter Umständen auch ganz verloren. Verheizt für den Profitraum und eine Illusion. Als Marketing- und PR-Vehikel der Großvereine.
Stellt sich die Frage, wann der richtige Zeitpunkt für einen solchen Wechsel sei. Die Antwort ist einfach. Je später der Wechsel zum Großverein erfolgt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit dort zumindest das U19-Team zu erreichen. Das kann also frühestens im U15 Alter sein.
Letztlich ist die Kleinfeldoffensive des FC Bayern äußerst kritisch zu betrachten. Aus der Sicht des Autors stellt Kleinfeldfußball in Profivereinen eine Absurdität dar, die sinnvollerweise komplett unterlassen werden sollte. Es fällt sehr schwer hierin einen echten Mehrwert für die Spieler und die Gesellschaft zu finden.
Wie seht ihr das? Ist Kleinfeldfußball in Profivereinen sinnvoll?
Dieter te Poel
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Anforderungsprofile an den Spitzenfußball verändern sich ständig. Hinzu kommt die wahrscheinliche Verkürzung der Juniorenzeit (U19 in Richtung U18). Nimmt man den Vergleich mit den Ausbildungssystemen anderer ebenfalls sehr erfolgreicher Nationen hinzu, kann man vorsichtig folgern, dass wir in den Bereichen Technik-Koordination-Taktik im Kontext aktueller lerntheoretischer Erkenntnisse mit Zielrichtung Spitzenfußball weiter optimieren könnten, qualitativ und quantitativ. Immer auf freiwilliger Basis und mit top ausgebildeten Trainern und Pädagogen, die der FC Bayern München sicherlich bereitstellen wird. Insbesondere die Kollegen Vogel und Reschke stehen für verantwortungsvolles Handel. Ich bin mir absolut sicher, dass gerade der FC Bayern München sich diese und andere Fragen im Vorfeld seiner U9-Gründung gestellt hat.
Die Frage der Zielrichtung und Wirksamkeit von Kleinfeldspielen wird sicherlich in den nächsten Jahren noch empirisch beantwortet werden. Hier stehen Untersuchungen in der Tat noch aus.
Dennoch! Wer von „Verheizen“ spricht, setzt Vorsatz mit der Absicht der Entledigung von Verantwortung voraus. Steht dafür der deutsche Vorzeigeklub FC Bayern München, er wurde ja von euch direkt angesprochen. Mitnichten! Die vielen sozialen Projekte des Klubs und Partnerschaften mit Schulen und Vereinen im Kontext von Eliteförderung sprechen eine andere Sprache!
Zu lokalen Ereignissen kann ich nichts sagen, da bin ich geographisch zu weit weg.
Aber grundsätzlich ist gegen Fordern und Fördern in sozialer Verantwortung mit Zielrichtung Best of Best nichts einzuwenden. Keine Angst vor frühzeitiger Förderung! Die Entscheider bleiben die Eltern und die Kinder. Euer allgemeiner Problemaufriss ist dennoch wichtig. Aber ich kann mir im Traum nicht vorstellen, dass einer der besten Klubs der Welt Kinder bewusst „verheizen“ will. Weltstandsanalysen muss man sich stellen, wenn man nicht zurückgeworfen werden will.
Danke für die Möglichkeit der fragmentarischen Stellungnahme!
Euer Dieter te Poel
Michael Franke
Lieber Dieter,
herzlichen Dank für Deine ausführlichen Anmerkungen. Es soll hier nicht die Arbeit des FC Bayern diskreditiert werden. Definitiv ist dort sehr gutes Personal am Werk. Es geht um das grundsätzliche Thema, dass Kinder und deren Eltern enormen Aufwand für einen Traum betreiben, der letztlich nur im Ausnahmefall der Ausnahme erreichbar ist. Und das ist eben nirgends so deutlich zu sehen, wie beim FC Bayern, wo eine Weltelf an der Spitze agiert. Es geht mir darum, eine Diskussion zu provozieren, da ich das Thema als drängend empfinde.
Enrico
dazu sollte man beachten, wie schnell sich gerade in diesem Alter die Kinder weiterentwickeln. Manche machen einen extremen Sprung nach vorn, weitere stagnieren oder bauen ab. Gerade mit den letzteren Kindern wird dann nicht zimperlich umgegangen. Ein extrem hoher Anteil dieser Spieler bleibt nicht nur auf der Strecke und muss dann „vom Spitzenverein“ weggehen, sondern hört dann oftmals ganz auf Fußball zu spielen und ist auch für den eigentlichen Stammverein für immer verloren. Schließlich ist die „Schande“ und Enttäuschung zu groß und man möchte sich diese Blöße ja nicht geben, nicht mehr gut genug zu sein.
Diesen Scherbenhaufen können dann die alten Trainer versuchen wieder aufzuräumen….
Ich spreche hier nicht von der sehr guten Betreuung durch die Spitzenvereine, solange die Kinder dabei sind. Das ist m.E. wirklich sehr gute Arbeit. Mir geht es hauptsächlich im die Psyche der Kinder und was mit denen oftmals im Kopf passiert. Vereine verlieren hier oft sehr gute Nachwuchsspieler für ihre eigenen Ligen für immer, sobald der Ruf die Kinder ereilt, selbst wenn die Kids dann einen anderen Verein wählen, um weiter zu machen.
Just my 5 Cent
Roland
Sg. Herr te Poel,
sofern dieser Thread noch aktuell ist wollte ich fragen, ob Sie Ihre Formulierung „Nimmt man den Vergleich mit den Ausbildungssystemen anderer ebenfalls sehr erfolgreicher Nationen hinzu, kann man vorsichtig folgern, dass wir in den Bereichen Technik-Koordination-Taktik im Kontext aktueller lerntheoretischer Erkenntnisse mit Zielrichtung Spitzenfußball weiter optimieren könnten, qualitativ und quantitativ“ vielleicht etwas präzisieren könnten?
Mit welchen Ausbildungssystemen vergleichen Sie? Welche lerntheoretischen Erkenntnisse meinen Sie genau? Wo sehen Sie die primären Ansatzpunkte um qualitativ besser zu werden bzw. von welchem Umfang sprechen Sie hinsichtlich quantitativer Optimierung?
Mich würde Ihre fundierte Meinung sehr interessieren.
Besten Dank für Ihre Bemühungen und freundlichen Grüßen
Roland
Michael Schhmid
Lieber Herr Franke, liebe Vorredner,
zu aller erst danke ich Ihnen für den interessanten Artikel. Leider stimme ich Ihnen bei einigen „Fakten“ nicht zu. Der FC Bayern hat die U9 Mannschaft nie abgeschafft sondern arbeitet hier bereits seit etlichen Jahren mit gleichbleibendem Trainerstab. Des weiteren ist die Verweildauer in den Nachwuchsleistungszentren definitiv höher als zwei Jahre – als Vater von zwei Buben, die im Nachwuchsleistungszentrum spielen, habe ich über verschiedene Jahrgänge einen guten Einblick. In der Regel fällt im Kleinfeldbereich jährlich ein Spieler durch das Raster – also einer von zehn oder elf Spielern. Über die Jahre hinweg ist der Mannschaftskern in den Teams meiner Söhne absolut intakt geblieben und die Mannschaft recht homogen gewachsen, da für größere Spielfelder im D-Jugendbereich auch ein größerer Kader erforderlich ist. Der einzige größere mir bekannte Bruch ist beim FC Bayern im Jahrgang 2003, wo tatsächlich viele Wechsel stattfinden – meiner Meinung tritt man dem am besten durch eine bereits im Kleinfeldbereich gewachsene Mannschaftsstruktur entgegen. Wie Sie vollkommen richtig beschreiben ist die Entwicklung eines Achtjährigen nicht vorherzusehen, dennoch entwickeln sich die Spieler, die über ein außergewöhnliches Bewegungstalent verfügen, meist auch unter diesen verbesserten Rahmenbedingungen weiter. Ab einem bestimmten Niveau „passt“ ein Spieler nicht mehr in kleinen Verein, da er in seiner Altersklasse gar nicht mehr gefordert ist und bei den Älteren ab einem bestimmten Altersunterschied nur aufgrund der Physis unterlegen ist. Eine Mannschaft auf einem einheitlichen Niveau zu formen halte ich dabei für vollkommen richtig – die Weiterentwicklung der Kinder ist hier, auch aufgrund der fast immer hochqualifizierten Trainer, definitiv gegeben. Sofern ein Profiverein verantwortungsvoll mit seinen jüngsten Teams umgeht, halte ich es für einen Gewinn für alle Beteiligten.
Michael Franke
Hallo Herr Schmid,
vielen Dank für Ihren Beitrag!
Ali
Hallo, ich bin Trainer einer E Jugend. Wir spielen im Ruhrgebiet,Ich trainiere kein NLZ Team, wir spielen aber regelmäßig gegen diese Mannschaften. So das wir uns in den letzten Jahren ein sehr gutes Netzwerk aufgebaut haben. Als uns vor 3 Jahren die ersten Kinder Richtung NLZ verlassen haben, konnte ich nicht viel dazu sagen, da ich keine Erfahrung dazu hatte. Aber schon damals stand eine Statistik im Raum das die damals gegründete U9 von Schalke, BVB oder VFL Bochum nur noch ein 1 Spieler es in die C Jugend schaffen wird. Ich kann das jetzt noch nicht bestätigen. Aber was ich sehen kann das die Kinder die in den letzten zwei Jahren aus diesen Vereinen wieder weg geschickt wurden wirklich Psychisch gelitten haben. Das schlimmste ist das, dass die Eltern mitmachen. Ich kann das nicht wirklich nachvollziehen. Die meisten hören danach mit Fußball meistens auf oder ziehen das in Erwähnung. Was die Kinder und Eltern erzählen was hinter verschlossenen kabinentüren von einzelnen Qualifizierten Trainern von sich gegeben wird ist wirklich unterste Schublade. Da kann manch einer so schön schreiben wie ich das hier in diesen Forum gelesen habe wie er will. Ich kann heute sagen das es definitiv nicht gut ist so früh in einen leistungszentrum zu gehen. Es sind immer noch Kinder. Das ist den hoch qualifizierten Trainern der NLZ nicht wirklich bewusst. Auch diese besagten trainer müssen abliefern. Oder meint ihr das der Jugendkoordinstor von VFL Bochum z.B nach vier Niederlagen im RevierCUP sagt. Top junge, ihr habt ja jetzt eine schlechte Phase aber deine Jungs entwickeln sich trotzdem gut. Der erste weg ist zu den Hörer zu greifen und scout Nr. 23 auf diesen Jahrgang anzusetzen um nach der Saison 4 neue zu holen. So läuft das Geschäft!
Dazu stelle ich noch eine These auf. Ich glaube das es viel zu früh ist weil, wenn ich gegen gegen die ganzen Bundesligisten schon in der U9 Bzw. U10 spielen. Was für einen Reiz habe ich dann noch in der U15?
Sascha Hagemann
Hallo Ali,
ich arbeite für den WDR an einer Geschichte zu den Transfers von F-Jugendlichen und hätte ein paar Fragen an Dich. Wärst Du an einem Telefonat interessiert? Würde mich sehr freuen!
Beste Grüße,
Sascha Hagemann
media akzent tv-produktion gmbh
Residenzstraße 58
13409 Berlin
mail: hagemann@mediaakzent-tv.de
fon: 030 3088 1335
jan
Nach dem Bericht „Sport im Westen“ bin ich auf diesen Artikel gestoßen. Warum gehen die Vereine nicht den „Dresdner Weg“? Man lässt die Kinder in ihren eigenen Vereinen „wachsen“ und holt sie nur einmal in der Woche zu einem gemeinsamen Training.
Oder man qualifiziert die Trainer der „kleinen“ Vereine so gut, dass diese die Ausbildung der Spieler bestmöglich machen. Und dann kann man immer noch bei U12 mit dem Scounting anfangen. Wann sich da alle Vereine dran halten würden…
Ich sehe auch die große Gefahr, dass die Spieler dann ganz aufhören und nicht zum alten Verein zurückkehren. Was besonders schade ist. Ich finde es keine Schande, wenn man von einem NLZ zurück zu seinem alten Verein wechselt, die alten Spieler/Trainer werden sich freuen, einen alten Freund und guten Spieler in ihren Reihen zu haben.
Christian Weltz
Mein Sohn steht nun vor dieser Entscheidung. Er hat die Möglichkeit bzw. das Angebot vom HSV & St. Pauli im nächsten Sommer in die U12 zu wechseln. Gleichzeitig ist er in eine Sportklasse aufgenommen worden, mit dieser arbeitet der HSV eng zusammen.
Z.Zt. spielt er in einem der renommierten Clubs in Hamburg für Eintracht Norderstedt mit sehr guten Trainingsbedingungen, Trainern und einer sehr guten Mannschaft.
Ich finde es ganz schwer zu entscheiden bzw. Ihn entscheiden zu lassen zu wechseln. Gleichzeitig wird er im NLZ noch mehr gefordert und gefördert, was ihm aus meiner Sicht Motiviert. Allerdings ist mir seine Schullaufbahn genauso wichtig, wenn nicht sogar wichtiger, mit dem Hintergrund das es nicht sehr viele schaffen in den Profibereich. Da die NLZ ca. 22 Wochenenden im Jahr unterwegs sind, bleibt sehr wenig Zeit fürs lernen oder gar für dieFreizeit! Anfahrtswege sind bei allen 3 Vereinen glücklicherweise fast identisch, ca. 15 Minuten zum Trainingsgelände. Vielleicht kann man einer oder auch gern mehrere seine Erfahrungen schildern.
Michael Franke
Es gibt da wohl kein richtig oder falsch. Das weiß man erst im Nachhinein. Klar ist wohl, dass sich Spieler in diesem Alter bei guter Förderung in jedem Fall weiter entwickeln. Die Wahrscheinlichkeit, dass er länger im NLZ verbleibt steigt mit dem Alter beim Wechsel. Mein Tipp: Bei Norderstedt bleiben, denn er steht ja so oder so im Fokus der NLZs. Wenn das in 2 Jahren immer noch so ist, dann nichts wie hin!
Hans
Hallo,
Ich würde auch dableiben. Mein Sohn ist 11 und spielt bei einem Bundesliganachwuchs. Ich hätte das allerdings nie gemacht, wenn Trainingsbedingungen bzw. Trainer im alten Verein gut gewesen wären.
Du machst dir mit dem Wechsel riesigen Stress, obwohl dein Sohn doch grad gute Bedingungen hat. Warte noch ein bisschen…, wäre mein Tipp.