Sportwetten in Deutschland – ist doch ganz normal
Die Anbieter von Sportwetten haben es in Deutschland geschafft. Nach vielen Jahren in der rechtlichen Grauzone ist es den Sportwettenanbietern 2021 mit dem neuen Glücksspielstaatsvertrag gelungen, ihre Wettangebote legal platzieren zu können. Schon lange vorher nutzten tipico und Co Lücken der Gesetzgebung aus, um Wettfreunde in Deutschland für sich zu interessieren. Mittlerweile ist das Gefühl entstanden, dass die mittlerweile rund 30 Wettanbieter nicht nur in den Profistadien der Republik immer präsenter werden, sondern die Fühler auch in Richtung Amateursport bewegen. In den Stadien Deutschlands ist die Werbung für Sportwetten längst omnipräsent. Lukrative Banden-, Banner-, und obligatorische Trikotwerbung sorgen mittlerweile für massive finanzielle Abhängigkeiten der Profiligen von den Wettanbietern. Testimonials wie Oliver Kahn oder Lothar Matthäus verleihen dem Geschäft mit dem Glück die nötige Seriosität. Die Startseite von tipico zeigt als Partnerlogos die Logos des FC Bayern, der 1. und der 2. Bundesliga. Und auch vor und nach TV-Übertragungen ist die Werbung für die Wette unvermeidlich.
Nun sind auch die Amateurvereine in das Visier der Sportwetten geraten. Trikotaktionen mit stark reduzierten Artikeln sollen Amateurvereine motivieren, wiederum selbst Werbung zu machen. Beispielsweise wirbt der BVB mit 70% Rabatt für Bwin Trikotwerbung. Karstadt bietet 60% bei tipico Trikotwerbung. Mit solchen Rabattaktionen versuchen die Wettanbieter sich ihre Präsenz auf den Sportanlagen an der Basis des Fußballs zu sichern. Dann ist doch alles wunderbar, könnte man denken.
Weit gefehlt. Denn wie jedes Glücksspiel birgt auch jede Sportwette ein enormes Suchtpotential. Vor allem die Werbung im Umfeld des Fußballs sorgt dafür, die Wetten als völlig normalen Bestandteil der Fußballkultur zu platzieren. Vor allem Jugendliche und junge Erwachsene wachsen mittlerweile in diesem Verständnis auf. Dabei geht man in Deutschland von etwa 430.000 spielsüchtigen Personen aus. Tendenz steigend. Und wie jede Sucht, kann auch Spielsucht existenzgefährdend sein. Für die süchtige Person aber auch für deren Umfeld.
Die Glücksspielindustrie ist auf dem besten Weg Teil der Fußballkultur in Deutschland zu werden. Mit enormen gesundheitlichen Risiken für die Beteiligten. Vor allem Jugendliche und junge Erwachsene sind leichte Beute für das vermeintliche Spiel. Ein Spiel, das den Anbietern enorme Gewinne beschert, die aus den Geldbeuteln der Spieler stammen. Dass ein kleiner Teil dieser Gewinne in Form des Werbebudgets wieder in den Fußball zurückfließt, ist ob der gesamtgesellschaftlichen Schäden eigentlich zu vernachlässigen. Dennoch sind die finanziellen Abhängigkeiten des Fußballs mittlerweile so groß, dass die Risiken elegant weggedrückt werden. Risiken für Fans, aktive Spieler und deren Umfeld.
Eine Ausnahme stellt im deutschen Profifußball der FC St. Pauli dar, der seit diesem Sommer auf Einnahmen aus Sportwetten Werbung verzichtet. Es wäre wünschenswert, dass St. Pauli auch in diesem Fall Vorreiter einer größeren Bewegung wäre. Das Produkt Sportwette gefährdet die Gesundheit der Spieler. Der Sport sollte, wie bei Alkoholika und Tabakwaren aus ethischen Gründen auf Einnahmen aus Sportwetten Werbung verzichten, um seine Glaubwürdigkeit im Sinn der Fairness und der gesellschaftlichen Verantwortung nicht zu riskieren. Denn die Gesundheit seiner wichtigsten KundInnen zu gefährden ist am Ende nicht normal!